
5 Jahre nie dagewesene Repressionen in Belarus
Der August 2020 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte von Belarus: Auf die landesweiten Massenproteste gegen das autoritäre Regime von Alexander Lukaschenko folgte deren brutale Niederschlagung. Die Repressionen erreichten ein nie gekanntes Ausmaß – und sie dauern bis heute an.
LIBERECO stellt für Interviews gerne die Kontaktdaten von ehemaligen belarusischen politischen Gefangenen (darunter auch englischsprachige) sowie von Expert*innen zur Verfügung. Schreiben Sie uns: media@libereco.org
Bereits fünf Jahren dauern die Massenrepressionen in Belarus an. Seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 und den darauf folgenden landesweiten Großprotesten hat sich die Menschenrechtslage in dem EU-Nachbarland erheblich verschlechtert. Alle unabhängigen Medien und NGOs sind schon seit Langem aufgelöst oder sie wurden ins Exil gezwungen. Unterdessen fahnden die Sicherheitskräfte weiterhin nach Personen, die an den Demonstrationen teilgenommen haben. Fast täglich werden Menschen festgenommen, darunter auch ehemalige politische Gefangene und ihre Angehörigen.
“Die Menschenrechtslage in Belarus ist nach wie vor katastrophal. Wobei die meisten Übergriffe still und heimlich geschehen. Die strafrechtliche Verfolgung von Dissident*innen, Protestteilnehmenden, Journalist*nnen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Anwält*innen geht unentwegt weiter, während es in den Gerichtssälen weder unabhängige Beobachter*innen noch Anwält*innen gibt, die diesen Namen verdient haben. Glücklicherweise wurden zuletzt immer wieder politische Gefangene begnadigt und freigelassen, bei vielen läuft auch die Haftstrafe ab. Gleichzeitig werden allerdings wieder ebenso viele Menschen aus rein politischen Gründen zu langen Haftstrafen verurteilt, sodass die Zahl der politischen Gefangenen seit Jahren konstant über 1.000 liegt”, sagt Marco Fieber, Geschäftsführer von LIBERECO in Deutschland.
Nach Angaben des belarusischen Menschenrechtszentrums Viasna wurden im vergangenen Jahr in mehreren Wellen 330 Personen begnadigt (alle Zahlen vom 01.08.2025), deren Identität ist jedoch nicht in allen Fällen bekannt. Daher ist unklar, wie viele politische Gefangene sich tatsächlich unter den Freigelassenen befinden.
Über 1.100 politische Gefangene in Belarus
Insgesamt hat Viasna seit 2020 7.239 Verurteilungen in politisch motivierten Strafverfahren registriert. 1.184 politische Gefangene befinden sich aktuell weiterhin in Haft, darunter 37 Journalist*innen und 175 Frauen.
Besonders besorgniserregend ist der Gesundheitszustand der Gefangenen. Nach Angaben von Viasna befinden sich mindestens 164 politische Gefangene trotz eines mit der Haft unvereinbaren Gesundheitszustands weiterhin in Haft. Viele von ihnen sind schwer krank oder werden zwangsweise psychiatrisch behandelt. Seit 2020 sind bereits mindestens acht Menschen während ihrer Haft in belarusischen Gefängnissen gestorben.
Gesundheitszustand der politischen Gefangenen verschlechtert sich
Seit 2020 hat LIBERECO bereits über 300 ehemaligen politische Gefangene mit medizinischen Behandlungen und psychosozialer Unterstützung geholfen. Auf Grundlage dieser breiten Datenbasis stellen wir fest, dass sich der Gesundheitszustand der freigelassenen Gefangenen zunehmend verschlechtert hat. Das liegt an den langen Haftzeiten und den unmenschlichen Haftbedingungen: feuchte und kalte Zellen, Unterernährung, Bewegungsmangel und wenig oder gar kein direktes Sonnenlicht. Viele Gefangene sind zudem Misshandlungen und Folter ausgesetzt.
Marco Fieber betont: “Ausnahmslos alle freigelassenen Häftlinge weisen schwere körperliche und psychische Schäden auf. Am häufigsten dokumentieren wir Erkrankungen der Zähne, Augen, Nieren, Gelenke, Lunge und des Magen-Darm-Traktes. Wir beobachten auch eine Zunahme von Krebs- und HIV-Erkrankungen, die entweder erst im Gefängnis aufgetreten sind oder sich dort verschlimmert haben.”
Mindestens acht politische Gefangene befinden sich derzeit in Isolationshaft: Maria Kalesnikawa, Maksim Znak, Mikalai Statkevich, Ihar Losik, Viktar Babaryka, Uladzimir Kniha, Aliaksandr Aranovich und Aliaksandr Frantskevich. Zu den bekanntesten politischen Gefangenen gehört auch der Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski.