
Gefängnis in Grodno (Foto: Jana Shnipelson)
Am 26. Januar finden in Belarus sogenannte Präsidentschaftswahlen statt. Im Vorfeld der Propaganda-Show machen Libereco und Viasna auf die kritische Situation der politischen Gefangenen aufmerksam.
Am Sonntag, 26. Januar, inszeniert das belarusische Regime von Diktator Alexander Lukaschenko eine Präsidentschaftswahl. Es steht außer Frage, dass die Behörden den Machthaber erneut zum Wahlsieger deklarieren werden.
Anders als 2020 ist diesmal aber kein großer Widerstand zu erwarten. Große Teile der Bevölkerung leben in Furcht, Verfolgung und Repressionen gegen politisch Andersdenkende sind Alltag. Die belarusische Menschenrechtsorganisation Viasna zählt aktuell über 1200 politische Gefangene. Doch die Liste derjenigen, die aus politischen Gründen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, ist weitaus länger, da sich viele Angehörige aus Angst gegen eine Veröffentlichung entscheiden.
Mit Blick auf die anstehende Wahl-Show, lenken Libereco und Viasna das Augenmerk auf die kritische Situation der Inhaftierten. „Meine Gedanken gelten den Tausenden von politischen Gefangenen in Belarus, die in Arbeitslagern knechten, mit gelber Kennzeichnung markiert sind und unter Bedingungen leben, die unvergleichlich härter sind als die der übrigen Gefangenen“, sagt der belarusische Menschenrechtsverteidiger Leanid Sudalenka von Viasna.
Leanid Sudalenka saß jahrelang in Haft
Der 58-Jährge saß wegen der Teilnahme an den friedlichen Protesten im Nachgang der gefälschten Wahl 2020 selbst für drei Jahre in Haft. Aufgrund der anhaltenden Repressionen sah sich Sudalenka gezwungen, Belarus zu verlassen. Daraufhin erhob das Lukaschenko-Regime gegen ihn eine neue Anklage wegen „Förderung extremistischer Aktivitäten“ und verurteilte ihn in Abwesenheit als „Wiederholungstäter“ zu fünf Jahren Haft.
„Stress und eine ständig aggressive Umgebung zehren an der Gesundheit der Gefangenen. Besonders in den Strafzellen, wo politische Gefangene mit Kälte gefoltert werden, ihnen warme Kleidung weggenommen wird, es keine Matratzen und Bettwäsche gibt, das Essen schlecht ist, es an Vitaminen mangelt und wo sie keinen Zugang zu frischer Luft haben. Dort, wo politische Gefangene monate- und teils jahrelang in Isolationshaft gehalten werden – ohne Kontakt zur Außenwelt und angebrachter medizinischer Hilfe“, erinnert Sudalenka.
Gesundheitszustand der Gefangenen zunehmend gravierender
Bereits seit 2020 leistet Libereco medizinische und psychosoziale Hilfe für politisch Verfolgte aus Belarus. Die deutsch-schweizerische Menschenrechtsorganisation hat mehrere hundert Fälle von Ex-Inhaftierten ausgewertet.
„Wir sehen, dass der Gesundheitszustand von entlassenen politischen Gefangenen zunehmend schlechter wird aufgrund der langen Haftzeit und den menschenunwürdigen Haftbedingungen: feuchte und kalte Zellen, Mangelernährung, fehlende Bewegung und wenig oder gar kein direktes Sonnenlicht. Viele Gefangene werden zusätzlich misshandelt und gefoltert“, erklärt Marco Fieber, Geschäftsführer von Libereco in Deutschland.
Er betont: „Ausnahmslos alle Freigelassenen weisen gravierende körperliche und seelische Schäden auf. Am häufigsten dokumentieren wir Erkrankungen der Zähne, Augen, Nieren, Gelenke, Lunge und des Magen-Darm-Traktes. Wir stellen auch eine Zunahme von Krebs- und HIV-Erkrankungen fest, die entweder erst in Haft auftraten oder sich dort verschlimmerten.“
Der Menschenrechtler und Ex-Gefangene Sudalenka ergänzt: „Wenn sie nicht in Isolationszellen eingesperrt sind, werden politische Gefangene gezwungen, schmutzige und gesundheitsschädliche Arbeit in kalten Industrieanlagen zu verrichten. Angesichts der langen Dauer dieser Strapazen werden nur wenige ohne gesundheitliche Schäden überleben. Bereits sieben politische Gefangene konnten der Folter nicht standhalten und sind in Haft gestorben. Das ist es, was mich verfolgt, mir Sorgen bereitet und mich keinen Tag in Ruhe lässt!“