Am Vorabend der Verurteilung der Menschenrechtsaktivisten Ales Bialiatski, Valiantsin Stefanovich und Uladzimir Labkovich veröffentlicht eine breite Koalition von Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung. Die Staatsanwaltschaft fordert 9 bis 12 Jahre Haft für die angebliche «Finanzierung von Protesten» nach den Präsidentschaftswahlen 2020 und «Schmuggel durch eine organisierte Gruppe» in den Jahren 2016-2021.

Am 3. März 2023 um 12 Uhr Ortszeit wird im Bezirksgericht Leninsky in Minsk das Urteil gegen die Menschenrechtsverteidiger von Viasna verkündet: dies betrifft den Friedensnobelpreisträger und Viasna-Vorsitzenden Ales Bialiatski, seinen Stellvertreter und Vizepräsident der International Federation for Human Rights (FIDH) Valiantsin Stefanovich, den Koordinator der Kampagne Human Rights Defenders for Free Elections Uladzimir Labkovich sowie Dzmitry Salauyou, der in Abwesenheit angeklagt ist. Gemeinsam mit 20 anderen Menschenrechtsorganisationen verurteilen wir die politische Verfolgung der Leiter von Viasna und fordern ihre sofortige Freilassung.

Pressemitteilung, 2. März 2023

Morgen wird das Bezirksgericht Leninski in Minsk voraussichtlich sein Urteil im Fall der Viasna-Leiter Ales Bialiatski, Valiantsin Stefanovich und Uladzimir Labkovich verkünden. Am Vorabend der Urteilsverkündung bekräftigen die unterzeichnenden Organisationen ihre Forderung, die Menschenrechtsaktivisten freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen.

Am 3. März 2023 wird das Bezirksgericht Leninski in Minsk über das politisch motivierte Verfahren gegen den Viasna-Vorsitzenden und Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski, seinen Stellvertreter und FIDH-Vizepräsidenten Valiantsin Stefanovich und Viasna-Anwalt Uladzimir Labkovich entscheiden. Nach einem mehr als einmonatigen unfairen Prozess und über anderthalb Jahren willkürlicher Inhaftierung ist die Hoffnung auf Gerechtigkeit gering.

Am 9. Februar 2023 beantragte Staatsanwalt Aliaksandr Karol beim Gericht, Ales Bialiatski zu 12 Jahren Haft, Valiantsin Stefanovich zu 11 Jahren und Uladzimir Labkovich zu 9 Jahren zu verurteilen. Zmitser Salauyou, ein weiteres Mitglied von Viasna und Angeklagter in diesem Fall, der in Abwesenheit verurteilt wird, muss mit 10 Jahren Haft rechnen. Der Staatsanwalt forderte außerdem eine Geldstrafe in Höhe von 185.000 belarusischen Rubeln (etwa 68.000 Euro) für jeden der Angeklagten.

Gesetzlose Behörden spielen Justizparodie auf die Menschenrechtsverteidiger

"Die Haltung der Staatsanwaltschaft im Fall unserer Freunde und Kollegen ist der Inbegriff der Gesetzlosigkeit der belarusischen Behörden. Drakonische Haft- und Geldstrafen, selbst nach den miserablen Standards der zutiefst kompromittierten belarusischen Justiz, sind eine Tortur für die Angeklagten und ihre Familien", sagte Pavel Sapelka, stellvertretendes Mitglied des Viasna-Vorstands. "Diese beschämenden repressiven Praktiken gegen Menschenrechtsverteidiger erfordern entschlossene Maßnahmen der wichtigsten internationalen Akteure", fügte er hinzu.

Bialiatski, Stefanovich und Labkovich wurden am 14. Juli 2021 im Rahmen eines breite Vorgehens gegen die belarusische Zivilgesellschaft infolge der umstrittenen Präsidentschaftswahlen im August 2020 willkürlich inhaftiert. Ursprünglich wurden sie wegen "Steuerhinterziehung" (Artikel 243, Absatz 2 des belarusischen Strafgesetzbuchs) 14 Monate lang inhaftiert und festgehalten. Jetzt stehen sie jedoch wegen angeblichen "Schmuggels" (Artikel 228.4) und "Finanzierung von Gruppenaktionen, die die öffentliche Ordnung schwer verletzen" (Artikel 342.2) vor Gericht. Diese neuen Anklagen wurden erst im September 2022 gegen sie erhoben, so dass den Angeklagten und ihren Anwälten nur wenig Zeit blieb, eine neue Verteidigungsstrategie auszuarbeiten.

Mehr als 10 Jahre Gefängnis erwartet – Vergeltung für die rechtmäßige Menschenrechtsarbeit der Angeklagten

Bialiatski, Stefanovich und Labkovich werden als Repressalie für ihre rechtmäßige Menschenrechtsarbeit verfolgt. Als rechtswidrig wurden u.a. folgende Tätigkeiten angesehen: Unterstützung willkürlich festgenommener Teilnehmenden an friedlichen Protesten, Zahlung von Anwaltskosten, Organisation unabhängiger Wahlbeobachtung und Fortführung der Aktivitäten von Viasna nach ihrer offiziellen Auflösung.

Der Prozess gegen Bialiatski, Stefanovich und Labkovich sowie die vorangegangenen Ermittlungen waren von zahlreichen Verstößen gegen die Menschenrechte und die Standards für ein faires Verfahren geprägt: Im Gerichtssaal wurden die drei Angeklagten in Handschellen und in einem Käfig gehalten; die Prozessunterlagen und die Anhörungen waren in russischer Sprache abgefasst, während die erste Sprache der Angeklagten, in der sie sich verständigen, Belarusisch ist; den Angeklagten wurde nicht genügend Zeit gegeben, um sich mit der gesamten Prozessakte vertraut zu machen; und weder unabhängige Medien noch unabhängige Beobachter wurden in den Gerichtssaal gelassen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die unterzeichnenden Organisationen verurteilen die strafrechtliche Verfolgung von Ales Bialiatski, Valiantsin Stefanovic und Uladzimir Labkovich erneut aufs Schärfste und fordern die belarusischen Behörden auf, sie unverzüglich und bedingungslos freizulassen, alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen und die gerichtlichen Schikanen gegen alle Menschenrechtsverteidiger im Land zu beenden.

Unterzeichnet von:

– ACAT Suisse 
– Amnesty International 
– ARTICLE 19 
– The Barys Zvozskau Belarusian Human Rights House 
– Campax 
– Civil Rights Defenders 
– European Platform for Democratic Elections (EPDE) 
– FIDH (International Federation for Human Rights), within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defender 
– Freedom House 
– Front Line Defenders 
– Helsinki Foundation for Human Rights 
– Human Rights House Foundation 
– Human Rights Watch 
– The International Bar Association’s Human Rights Institute (IBAHRI) 
– Libereco - Partnership for Human Rights 
– Netherlands Helsinki Committee 
– Norwegian Helsinki Committee 
– Östgruppen - Swedish initiative for Democracies and human rights 
– Right Livelihood 
– World Organisation Against Torture (OMCT), within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defenders 
– People in Need